Das SCARF Modell des Neuroleadership

Das „SCARF“-Modell von David Rock kann uns dabei helfen, menschliche Interaktionen besser zu verstehen und harmonischer miteinander umzugehen. Fünf Schlüsselfaktoren, die unser Gehirn bei sozialen Begegnungen beeinflussen, sind dabei besonders wichtig.

Was bisher geschah :-)

Ein neuer Blogpost steht an und ich freue mich, euch heute weitere spannende Erkenntnisse rund ums Gehirn zu präsentieren. Nachdem wir bereits über Besonderheiten des Gehirns und die Stressreaktion des Körpers gesprochen haben, widmen wir uns heute dem "SCARF"-Modell von David Rock. Er erarbeitete ein Modell, zur positiven Beeinflussung von Zusammenarbeit und Interaktion mit anderen.

Hin und weg.

Im NeuroLeadership Journal wurden 2008 spannende Artikel zum sozialen Miteinander und dessen Auswirkungen auf das Gehirn veröffentlicht. Lieberman und Eisenberger zeigten in „The pains and pleasures of social life“ auf, dass das Gehirn auf soziale Schmerzen ähnlich wie auf physische Schmerzen reagiert.

Worte verletzen demnach ein Gegenüber also genauso, als würde man jemanden schlagen. Dies spiegelt sich in alltäglichen Redewendungen wie: „Worte sind wie Waffen“, „Giftige Anmerkungen“, „Schneidende Bemerkungen“ oder „Mit Worten verletzen“ wider. Forschungen zum Belohnungssystem belegen zudem, dass es auf soziale und physische Belohnungen gleichermaßen anspricht.

When our social needs are being satisfied, the brain responds in much the same way as is responds to other rewards that are more tangible.
Lieberman und Eisenberger, The pains and pleasures of social life: a social cognitive neuroscience approach.

Wenn alle sozialen Bedürfnisse erfüllt sind und wir uns in einer bedrohungsfreien Umgebung befinden, ist das Gehirn offen für (soziale) Belohnungen. Zuvor verharrt es jedoch in einem abweisenden Zustand. Das Vermeiden von Bedrohungen bildet somit die Grundlage für harmonisches Miteinander.

Für diejenigen, die tiefer in das Thema eintauchen möchten, finden sich am Ende des Blogbeitrags alle relevanten Quellen.

We don’t expect someone with a broken leg to ‘just get over it.’ And yet when it comes to the pain of social loss, this is a common response. We intuitively believe social and physical pain are radicallydifferent types of experiences, yet the way our brains treat them suggests that they are more similar than we imagine.
Matthew Lieberman, Social: Why Our Brains Are Wired to Connect

Das SCARF-Modell

David Rock, ein bekannter Experte für Neurowissenschaften und Leiter des NeuroLeadership Institute, nahm diese Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft und der Sozialpsychologie und verband sie miteinander zu einem handlichen und zugegebenermaßen auch gut verkaufbaren, „SCARF“-Modell. Die Idee dahinter ist, dass Menschen dazu neigen, Situationen und Interaktionen so zu bewerten, dass sie ihre Bedürfnisse in fünf Domänen befriedigen.

Das SCARF-Modell bezieht sich auf fünf Kernbereiche, die für das menschliche Verhalten von Bedeutung sind. Wird eine oder mehrere davon abgewertet, so ist eine negative Reaktion wahrscheinlich. Werden diese Domänen jedoch gestärkt und bewusst unterstützt, so wird eine Kooperation - auch Lernen - gefördert.

Jeder von uns reagiert auf seine eigene Art und Weise auf eine Bedrohung. Wer mag, kann einen Online-Fragebogen beim NeuroLeadership Institute ausfüllen, um hier ein paar Hinweise auf sein eigenes, mögliches Verhalten zu bekommen.

Status

Wie wichtig ist die Rolle und die Position einer Person in einer Gruppe? Wie ist die Wahrnehmung der eigenen Position im sozialen Gefüge?

Abwerten

Aufwerten

Eine Person öffentlich kritisieren Anerkennung und Lob für Leistungen aussprechen
Erfolge und Leistungen anderer überbetonen Verantwortung und Entscheidungsbefugnis übertragen
Jemanden bei Entscheidungen übergehen Chancen für persönliche Weiterentwicklung bieten

Certainty (Gewissheit)

Wie sicher oder unsicher fühlt sich eine Person in einer bestimmten Situation? Das Gehirn ist eine Vorhersagemaschine. Es ist kontinuierlich damit beschäftigt, mögliche Ergebnisse von Situationen vorherzusagen, um mögliche Bedrohungen rechtzeitig zu erkennen. Je besser es dies tun kann, desto sicherer und wohler fühlen wir uns.

Abwerten

Aufwerten

Unklare und widersprüchliche Informationen geben Klare Kommunikation und transparente Informationen geben
Pläne und Ziele ständig ändern Stabile Strukturen und Prozesse schaffen
Vage oder ungenaue Erwartungen äußern Verlässliche und realistische Ziele setzen

Autonomy (Autonomie)

Wie viel Kontrolle hat eine Person über ihre Umgebung und ihre Entscheidungen? Hat man die Möglichkeit zu gestalten und sein Umfeld zu steuern, oder ist man ein Spielball der Situation?

Abwerten

Aufwerten

Mikromanagement und ständige Kontrolle Freiraum für Entscheidungen und kreatives Arbeiten
Entscheidungen ohne Beteiligung der Betroffenen treffen Beteiligung an Entscheidungsprozessen ermöglichen
Starre Vorgaben und fehlende Flexibilität Flexibilität und individuelle Lösungsansätze fördern

Relatedness (Beziehung)

Wie stark ist die Verbindung einer Person zu anderen Menschen? Hier geht es um das Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit und Verbindung.

Abwerten

Aufwerten

Ausgrenzung oder Isolation von Einzelpersonen Teamarbeit und Zusammenhalt fördern
Konflikte und Misstrauen schüren Empathie und aktives Zuhören praktizieren
Negative oder abwertende Kommunikation Regelmäßige gemeinsame Aktivitäten und Veranstaltungen

Fairness

Wie gerecht wird eine Person in einer bestimmten Situation behandelt? Diese Domäne betrifft das Bedürfnis nach gerechter und ausgewogener Behandlung.

Abwerten

Aufwerten

Bevorzugung oder Benachteiligung bestimmter Personen Transparente und nachvollziehbare Kriterien anwenden
Intransparente Entscheidungen und Verteilung von Ressourcen Offene Kommunikation über Entscheidungsprozesse
Uneinheitliche Kriterien und Standards anwenden Chancengleichheit und Gleichbehandlung fördern

Ein Versuch eines Fazits

Eine gute Anwendung des SCARF-Modells in der Arbeitswelt kann von großer Bedeutung sein. Es hilft Führungskräften und Teams, ein besseres Verständnis für menschliche Interaktionen und Verhaltensweisen zu entwickeln. Es führt zu einer positiveren und effektiveren Zusammenarbeit, indem es die Bedürfnisse und Reaktionen der Menschen berücksichtigt. Ein Resultat dürfte ein harmonischeres und produktiveres Arbeitsumfeld sein, in welchem Bedrohungen minimieret und Belohnungen zu maximiert werden. Es ist ein mächtiges Werkzeug, um die menschliche Seite der Arbeitswelt zu verstehen und zu verbessern.

Neben der Arbeitswelt kann das SCARF-Modell auch das Privatleben erheblich fördern. Es kann uns helfen, unsere Interaktionen und Beziehungen zu Familie, Freunden und Partnern zu verbessern. Indem wir verstehen, wie bestimmte Verhaltensweisen und Situationen unsere Bedürfnisse beeinflussen, können wir bewusster und einfühlsamer in unseren persönlichen Beziehungen agieren. Insgesamt unterstützt das Modell uns dabei, harmonischere und erfüllendere persönliche Beziehungen zu pflegen.

  • Buch: Lieberman, M. D. (2014). Social: Why Our Brains Are Wired to Connect. Crown.
  • Artikel: Lieberman, M. D., & Eisenberger, N. I. (2008). The pains and pleasures of social life: a social cognitive neuroscience approach. NeuroLeadership Journal, 1(1), 38-43.
  • Artikel: Rock, D. (2008). SCARF: A brain-based model for collaborating with and influencing others. NeuroLeadership journal, 1(1), 44-52.
  • Link: NLI SCARF Assessment - https://neuroleadership.com/research/tools/nli-scarf-assessment/
  • Foto: RhondaK Native Florida Folk Artist bei Unsplash

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